Aktionswoche gegen Rechts – Wie sich ein Flüchtlingsboot anfühlt
„Bunt statt Braun“ findet seit Montag zum 15. Mal im Waiblinger Kulturhaus Schwanen statt. Der Stuttgarter Musiker Steve Bimamisa hat dazu einen Workshop über Bootsflüchtlinge angeboten.
Waiblingen – Etwa 60 Menschen passen in eine Piroge. Für eine solche Zahl sind diese Boote allerdings nicht gedacht. Schlepper überladen sie, um möglichst viel Geld mit einer Überfahrt mit afrikanischen Flüchtlingen machen zu können. „Ich möchte, dass ihr jetzt mal alle in die Mitte kommt“, sagt Steve Bimamisa zu den 32 jungen Menschen, die zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren und am Montag zu seinem Workshop in den Waiblinger Schwanen gekommen sind. Die Mitte des aus Tischen bestehenden Rechtecks wird zur Piroge. Im Stehen ist noch Platz. „Wir sind aber nur die Hälfte der Leute, die normalerweise auf so einem Boot fahren“, sagt der Musiker und Musikproduzent, der seit rund 20 Jahren in Stuttgart lebt.
Probesitzen im Seminarraum
Im Sitzen wird es schon enger und ungemütlicher. „Wir machen das nicht lange, nur damit ihr ein Gefühl dafür bekommt“, sagt er. „In solch einem Boot sitzen die verschiedensten Menschen, auch alte Leute, Hochschwangere oder kleine Kinder. Die kürzeste Überfahrt dauert einen Tag. Manche sind aber viel länger unterwegs.“ Um eine solche Strapaze und Gefahr auf sich zu nehmen, brauche es gute Gründe. Und die hätten die Menschen, die diese lebensgefährliche Art der Flucht wagen.
„Globales Lernen – Hoffnung Europa“ heißt der Workshop, den Steve Bimamisa am Montag im Schwanen gehalten hat. Es war der Auftakttag der Aktionswoche „Bunt statt Braun“, die in diesem Jahr zum 15. Mal stattfindet. Damit ist sie wohl eines der langlebigsten Programme gegen Rechts, die es zurzeit gibt. Angeboten wird ein Programm, das sich an Schulklassen oder Gruppen wie die Jugendlichen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) leisten. Die 32 jungen Frauen und Männer sind zwischen 16 und 20 Jahre alt. Es gibt aber auch Angebote für dritte bis siebente Klassen, wie etwa der vier Stunden dauernde Trickfilm-Workshop „Lauter schräge Typen“.
Flucht aus dem Kongo nach Stuttgart
Ziel der Woche ist, junge Menschen zu sensibilisieren und vor rassistischen Vorstellungen zu bewahren „Es gibt nicht den Flüchtling, sondern Menschen mit Schicksalen“, sagt Steve Bimamisa, der im Alter von 14 Jahren zusammen mit seiner Mutter und Geschwistern aus dem Kongo fliehen musste. Sein Vater war in den Unruhen des Bürgerkriegs erschossen worden. „Er hatte Freunde in Stuttgart, wo er promoviert hatte. Diese haben uns geholfen, hierher zu kommen.“
Der Musiker, dem Stuttgarter Publikum durch Joe Bauers Flaneursalon bekannt, engagiert sich seit Jahren in interkultureller Arbeit. Bei „Bunt statt Braun“ war er bereits mehrmals, auch in Begleitung seiner Musiker- und Tänzer-Gruppe Diversité. Zusammen mit Pro Asyl war er in Spanien, wohin Flüchtlinge aus Senegal mit Pirogen fahren. „La Pirogue“ ist der Titel eines Films von Moussa Touré, den er zu dem Workshop mitgebracht hat. „Die Darsteller sind keine Schauspieler, sondern Menschen, die auf solchen Booten gefahren waren, aber wieder abgeschoben wurden. Die wissen genau, wen und was sie darstellen.“
Zum Schluss gibt es wie immer ein Festival
Die Aktionswoche endet wie gewohnt am Samstagabend mit einem Festival, bei dem wieder sechs junge Bands oder Solomusikerinnen um den Bunt-statt-Braun-Award auftreten. Eine Jury hat diese aus sämtlichen Bewerbungen ausgewählt – welche es sind, findet man auf Facebook oder Instagram unter dem Stichwort „bsb-award“. Die Party beginnt am Samstag um 19.30 Uhr, die Eintrittskarten kosten 3 Euro (0 71 51/50 01 16 74).
Quelle: Stuttgarter Nachrichten (18.11.2019 – Thomas Schwarz)
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