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Angst vor der „schleichenden Islamisierung“

Was bedeutet Antimuslimischer Rassismus für die pädagogische Arbeit?

Ein Fachtag des Kreishauses der Jugendarbeit Rems-Murr für pädagogische Fachkräfte am 10. Dez. 2014

Fachtag: Angst vor der „schleichenden Islamisierung“

Sie entwerfen apokalyptische Szenen einer „Islamisierung Europas“, stilisieren sich als aufrichtige Verfassungspatrioten: islamfeindliche Internetportale verzeichnen mehrere zehntausend Klicks pro Tag. Das Phänomen der „Islamkritik“ ist damit alles andere als ein rechtsextremes Erscheinungsbild, seine menschenfeindlichen Posi-tionen sind vielmehr – gerade auch in gut situierten Kreisen der Bevölkerung – mehr­heitsfähig. Diffuse Ängste schlagen sich in der alltäglichen Diskriminierung von Muslimen nieder, in jüngster Zeit mehren sich deutschlandweit Anschläge auf Mo­scheen. Wenig ausgeprägt ist jedoch das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für das Problem des antimuslimischen Rassismus. Pädagogische Fachkräften begegnen antimuslimischen Einstellungen in allen Bereichen ihrer Arbeit, sei es in der Schule, in der Öffentlichkeit oder in den Medien. Zugleich hat der fachwissenschaftliche Diskurs insbesondere der Vorurteilsforschung bisher noch keinen Übertrag in die Bildungslandschaft erfahren. Ziel der Veranstaltung ist es daher zum einen, einen Transfer der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die pädagogische Praxis zu leisten und pädagogischen Fachkräften grundlegende Informationen zum Thema zur Verfügung zu stellen. Zum anderen möchte der Fachtag MultiplikatorInnen der Jugendarbeit hinsichtlich der Relevanz des Phänomens für ihre alltägliche Arbeit sensibilisieren, um auf dieser Grundlage perspektivisch Handlungsoptionen im Sinne einer Stärkung junger Menschen gegen antimuslimische Einstellungen zu entwickeln.

Programm

  • ab 8.45 Uhr Ankunft
  • 09.00 Uhr Begrüßung
  • 09.15 Uhr Eröffnungsvortrag Prof. Dr. Wolfgang Benz (emer., Universität Berlin)
    Kulturrassismus, der Minderheiten als Feinde definiert, dient der Ausgrenzung und hat zugleich für die Mehrheit identitätsstiftende Funktion. Aus der Perspektive der Vorurteilsforschung werden die Phänomene Muslimfeindschaft, Islamkritik, Islamophobie im Vergleich mit Ressentiments gegen andere Minderheiten betrachtet, um sie verstehen und ihnen begegnen zu können.
    Wolfgang Benz ist Historiker und war bis März 2011 Professor und Leiter des Zentrums für Antisemitismus- forschung der Technischen Universität Berlin. Gastprofessuren führten in u.a. nach Australien, Bolivien, Nordirland, Österreich und Mexiko. Prof. Benz hat zahlreiche Publikationen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert, zu Nationalsozialismus, Antisemitismus und Problemen von Minderheiten verfasst, zuletzt: „Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie ge- fährdet“ (München 2012), „Theresienstadt. Eine Geschichte von Täuschung und Vernichtung“ (München 2013). Er ist zudem Herausgeber mehrerer Buchreihen, Träger des Geschwister-Scholl-Preis 1992 und Mitglied im P.E.N.
  • 10.45 Uhr Pause
  • 11.00 Uhr NARI. Ein Netzwerk stellt sich und seine Arbeit vor. Antimuslimischer Rassismus hat viele Gesichter: Benachteiligungen bei der Jobsuche, Angriffe auf Moscheen in Deutschland und schließlich der Mord an der Dresdener Apothekerin Marwa El-Sherbini im Jahr 2009, der als erster eindeutig anti-muslimisch motivierter Mord in die deutsche Rechtsgeschichte einging. Der Beitrag liefert einen Überblick über die gesellschaftlichen Auswirkungen eines Feindbilds auf verschiedenen Ebenen. Neben ein paar Zahlen und Fakten zum Ausmaß des Rassismus werden einige Fallbeispiele näher beleuchtet. Abschließend werden Initiativen und Strategien gegen antimuslimischen Rassismus vorgestellt.
    Marwa Al-Radwany ist eine der Initiatorinnen des Netzwerks gegen antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit (NARI) und befasst sich seit Jahren mit dem Diskurs über Muslime und Ideologien der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Mit Freunden und Mitstreiter_innen hat sie 2007 die Initiative Grenzen-Los! gegründet, einen „Verein für emanzipative Bildung und kulturelle Aktion“, der Träger für empowernde kulturelle (Jugend-)Bildungsarbeit ist.
  • 12.30 Uhr Mittagspause
  • 13.30 Uhr Workshop
  • 15:30 Uhr Pause
  • 15.45 Uhr Perspektiven und Erkenntnisse
  • 17.00 Uhr Ende

Workshops

Workshop 1: Antimuslimischer Rassismus in der Jugendarbeit – Anne Goldenbogen

Islamfeindlichkeit gehört zu den Phänomenen ausgrenzenden Deutens, Denkens und Handelns, die in den vergangenen Jahren in Deutschland den deutlichsten Anstieg zu verzeichnen hatten. Wie äußert sich das konkret, beispielsweise in der Jugendarbeit? Welche Perspektiven darauf können sich aus Sicht der Betroffenen ergeben? Und wie können mögliche Präventions- und Interventionsstrategien aussehen?
Anne Goldenbogen ist Diplom-Politologin und stellvertretende Vorsitzende des Vereins Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA e.V.). Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, vorurteilskritische Bildungsarbeit, Gesellschaftstheorie und politische Kommunikation.

Workshop 2: Antimuslimischer Rassismus in der Öffentlichkeit – Ethem Ebrem

Öffentlichkeit bezeichnet jenen gesellschaftlichen Bereich, der über den privaten, persönlichen, relativ begrenzten Bereich hinausgeht, für die Allgemeinheit offen und zugänglich ist. Der Fall Marwa Ali El-Sherbini begann an einem solchen Ort, der für die Allgemeinheit offen und zugänglich ist – einem Spielplatz- und endete mit einem Mord – in einem Landgericht. Der Workshop wird der Frage nachgehen, wie ein islamfeindlicher Diskurs in Deutschland den öffentlichen Alltag für Muslime wie Nichtmuslime prägt, um schließlich im internationalen Vergleich eine andere Art der Öffentlichkeit vorzustellen.
Ibrahim Ethem Ebrem studiert katholische und islamische Theologie, Mathematik und Deutsch für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Er ist als Autor und Referent für die Landeszentrale für politische Bildung BW tätig und arbeitet hier im Bereich der Extremismusprävention. Zugleich ist er Steuerungsmitglied des Zukunftsforums Islam der Bundeszentrale für politische Bildung. Er gründete Mosaik Deutschland e.V. mit und ist hier u.a. verantwortlich für Projekt-konzeption und –beratung, sowie der Erstellung und Durchführung von Bildungsangeboten. Seit 2014 leitet er zudem das Projekt hd.net-Respekt!, welches zum Ziel hat nachhaltige Strukturen zur Überwindung von Alltagsdiskriminierungen aufzubauen.

Workshop 3: Antimuslimischer Rassismus in der Schule – Aliyeh Yegane Arani und Amine Tasdan

Zerrbilder des Islam und Abwertungen von Musliminnen und Muslimen sind in Deutschland verbreitet wie kaum zuvor. Das zeigen empirische Studien, und das entspricht der Erfahrung vieler Menschen mit muslimischem Glauben. Vorurteile und Ausgrenzungen sind nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft verankert – sie reichen bis in ihre Mitte. Dies wirkt sich auch im Bildungssystem aus und, wie der letzte Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes an den Deutschen Bundestags zeigt, gehören Diskriminierungserfahrungen zum Alltag an Schulen. Diskriminierungen aufgrund einer islamischen Reli­gionszugehörigkeit machen hierbei einen großen Anteil aus. In dem Workshop werden Manifestationen islamfeindlicher Ressentiments und religionsbezogener Diskriminierung in Bildung und Schule thematisiert und Handlungsstrategien dis­kutiert. Zur Vorstellung pädagogischer Zugänge zum Thema wird neben eines theoretischen Inputs auch eine praktische Übung zur Thematisierung von Islamfeindlichkeit eingeführt.
Amine Tasdan, Erziehungswissenschaftlerin und freiberufliche Grafikdesignerin, arbeitet im Bereich Hilfe zur Erziehung und als Empowerment-Trainerin. Sie engagiert sich seit 2001 im Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit, Berlin bei Inssan e.V und ist aktiv beim Rat Muslimischer Studierender und Akademiker e.V. sowie Zahnräder Netzwerk e.V.
Aliyeh Yegane Arani ist Politikwissenschaftlerin und Diversity Trainerin mit den thematischen Schwerpunkten Vielfalt von Religion & Weltanschauung, Islam in Deutschland, Antidiskriminierung und Islamfeindlichkeit. Sie leitet das Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit, Berlin bei Inssan e.V. und führt u.a. für das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung des Berliner Senatsverwaltung Fort­bildungen durch.

Workshop 4: Antimuslimischer Rassismus in den Medien – Sebastian Friedrich

Nach einem kurzen Input zum inhaltlichen Kern des antimuslimischen Rassismus werden wir uns anhand von Medienbei­spielen die zentralen Elemente des öffentlichen Islambildes in Deutschland erarbeiten und diese anschließend gemeinsam diskutieren. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie eine Thematisierung und Bearbeitung sozialer Probleme möglich ist, ohne in rassistischer Weise zu verallgemeinern.

Sebastian Friedrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und promoviert derzeit an der Universität Duisburg-Essen zum medialen Arbeitslosendiskurs. Zu seinen Arbeits­schwerpunkten zählen Diskursanalyse, kritische Migrations- und Rassismusforschung sowie kritische Sozialstaatsanalyse.

Workshop 5: Antimuslimischer Rassismus aus der Innenperspektive – Kaan Orhon

Antimuslimischer Rassismus als Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit Gegenstand der öffentlichen Diskussion und muslimische Stimmen in Deutschland beklagen, dass das Phänomen trotz immer häufigerer Übergriffe auf Moscheen zu wenig beachtet werde. Der Rat muslimischer Studierender und Akademiker rief daher am 1. Juli zum ersten Mal zu einem Tag gegen antimuslimischen Rassismus auf. Die Aktion war auch unter Muslimen in Deutschland nicht unumstritten. Zu den Innenansichten der Debatte und zu Gründen und Wirkung der Aktion referiert der Vizepräsident des Rates, Kaan Orhon.

Kaan Mustafa Orhon ist seit 2011 Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen und arbeitet seit Beginn seines des Studiums ehrenamtlich in den studentischen Kulturvereinen der Islamischen Hochschulvereinigung bzw. des Türkischen Akademiker Bunds. Seit 2008 ist er zudem Mitglied des Rates musli­mischer Studierender und Akademiker (RAMSA), seit 2011 dessen Vizepräsident. Kaan Orhon engagiert im Interreligiösen Dialog und in Menschenrechtsfragen.

Download: Web-Flyer [ .pdf | 1MB]

Anmeldung

  • Die Anmeldung erbitten wir schriftlich/per Fax/E-Mail spätestens bis 30.11.2014.
  • Bei Rücktritt von der Anmeldung zwischen 8.12.-9.12. stellen wir Ihnen 20€ in Rechnung, danach bzw. bei Fern­bleiben die Gesamtkosten.
  • Tagungskosten: 40€ Tagungspauschale
  • Bitte überweisen Sie den Betrag auf folgendes Konto:
    IBAN: DE52602500100000005720
    BIC: SOLADES1WBN
    Verwendungszweck: NAME_AMR-Tagung

Anmeldung und Rückfragen:

Kreishaus der Jugendarbeit
Fachtag AMR
Marktstrasse 48/50
71522 Backnang
fachtag[at]jugendarbeit-rm.de

Tel: 07191 90 79 0
Fax: 07191 90 79 229

Tagungshaus und Anreise

Kulturhaus Schwanen
Winnender Str. 4
71334 Waiblingen

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