1/2010: 2.2. Szenen am Bahnhof erstaunen Wartende
Kreisjugendring veranstaltet theaterpädagogische Übungen im öffentlichen Raum mit der Theatergruppe Lokstoff
Eingangshalle am Bahnhof. Fahrgäste warten auf ihren Zug. Doch was ist das? Jugendliche bleiben plötzlich mitten in ihrem Bewegungsablauf stehen, verharren wie versteinert sekundenlang. – Der Kreisjugendring veranstaltete theaterpädagogische Übungen im öffentlichen Raum mit der Theatergruppe Lokstoff.
BACKNANG. Es ist früher Abend. Ganz normaler Betrieb herrscht auf dem Backnanger Bahnhof. Draußen ist es bitterkalt. Die Fahrgäste ziehen es vor, nicht an den Gleisen, sondern in der Eingangshalle zu warten. Zuerst bekommen sie es wohl gar nicht mit, dass das merkwürdige Verhalten einer Gruppe Jugendlicher eine Inszenierung ist. Für die jungen Leute ist es ein ganz neues Erlebnis, sich im öffentlichen Raum so zu präsentieren. Aber sie sind mutig und machen mit, was Wilhelm Schneck von der Stuttgarter Theatergruppe Lokstoff ihnen vorgibt. Erste Wartende blicken verwundert auf.
Im Rahmen des Förderprogramms „Komet 2“ der Landesstiftung Baden-Württemberg – ein Programm zur Kooperation von außerschulischer Jugendbildung und Schule – findet das Projekt „Kompetenzschmiede Theater“ des Kreisjugendrings statt. Geleitet wird es von Jessica Kimmel, Sozialpädagogin und Referentin für Integration und Migration. Angesprochen werden Jugendliche in Schulen und dem Jugendraum der Backnanger Moschee. Auch in Schorndorf, Winnenden, Welzheim und Murrhardt findet das Projekt statt. Ziel ist es, Sozialverhalten zu stärken und die Jugendlichen für Alltagssituationen zu sensibilisieren. Die künstlerische Leitung haben Andrea Leonetti und Wilhelm Schneck von Lokstoff. Die Schauspieler treten mit ihrem Ensemble ausschließlich im öffentlichen Raum auf und haben Erfahrung mit den Besonderheiten ungewöhnlicher Örtlichkeiten. Shakespeares „Hamlet“ präsentieren sie auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof, Kafkas „Die Verwandlung“ im Stadtbus. Das Konzept ist, das Theater als geschlossenen Raum zu verlassen und da zu spielen, wo das Leben ist. Es kommt zu einer Vermischung von Realität und Theater.
Wirklichkeit und Inszenierung verschmelzen auch auf dem Bahnhof in Backnang. Erste Fahrgäste mischen sich ein und fragen, was hier denn stattfinde. Andere freuen sich, dass ihnen die Wartezeit an dem eiskalten, verschneiten Feierabend mit Unterhaltung versüßt wird.
Die Jugendlichen sind mit viel Spaß dabei. Es werden ihnen die Augen verbunden, und sie müssen sich von anderen durch die Bahnhofshalle führen lassen. Wie fühlt es sich an, auf andere angewiesen zu sein? Einem Jungen merkt man die Unsicherheit an, als er in Richtung Treppe geführt wird. Es geht um Vertrauen, sich auf den anderen zu verlassen. Aber die Übung soll auch sensibilisieren. Vielleicht sieht es der Jugendliche künftig mit anderen Augen, wenn ein Sehbehinderter oder Blinder sich zurechtfinden muss. Bei einer anderen Aktion schauen die Jugendlichen von außen durch die Glasscheibe in den Warteraum und kommunizieren mit den Fahrgästen mit Blicken. Wer ist hier der Beobachter? Wer der Beobachtende? Bei einer Übung mit Schorndorfer Jugendlichen sollten die Teilnehmer mit merkwürdigem Gang durch eine Passage gehen. „Du bist ja behindert“, wurde ein Teilnehmer dabei angepöbelt, berichtet Andrea Leonetti. Wie gehen die Jugendlichen mit solch einer Situation um? Handlungsmöglichkeiten werden erlernt und der Blick für alltägliche Situationen geschärft.
Das Projekt läuft noch bis Juni und findet montags im zweiwöchigen Turnus statt. Treffpunkt ist jeweils um 18.30 Uhr am Eingang des Bahnhofs. Der nächste Termin verschiebt sich wegen Fasching auf 22. Februar. Informationen gibt es beim Kreisjugendring unter 07191/ 9079-209. Das Projekt ist für Jugendliche mit Migrationshintergrund im Alter von 13 bis 16 Jahren gedacht, aber auch andere Jugendliche sind willkommen.
Quelle: Backnanger Kreiszeitung, Claudia Ackermann
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