Mit der Kamera den Anderen einfangen
Oder: Vom groß werden, filmen und anders sein
„Ich wurde von der Pferdemafia bedroht!“ Marius Richter aus Welzheim gestikuliert wild mit den Händen und beugt sich über das Mikrofon. Der 15jährige mimt einen Pferdeexperten, der ein Buch über Doping im Reitsport geschrieben hat. Interviewt wird er von der 15jährigen Nina Pfister aus Backnang, die kurz darauf losprustet.
Das Rollenspiel ist Teil eines Videoworkshops des Kreisjugendrings Rems-Murr e.V., der am vergangenen Montag begonnen hat. Acht Jugendliche aus dem gesamten Rems-Murr-Kreis haben sich in den Räumen der Waiblinger Familienberatungsstelle eingefunden, um kurze Reportagen über Menschen zu drehen, die anders sind, von der Mehrheit abweichen.
Anlass für den Workshop ist das europaweite Projekt des Kreisjugendrings „Triple V“, das das Wertebewusstsein von Jugendlichen stärken will. Dem Phänomen „Anders sein“ wird daher der erste Vormittag des Workshops gewidmet. Gegensätzliche Begriffe wie „Zugehörigkeit“ und „Fremd sein“ stehen hier im Vordergrund.
Danach ist das mediale Rüstzeug dran. Die Tübinger Referentin Anna Ross vermittelt den Teilnehmern, wie sie journalistisch arbeiten können: wichtige Kameraeinstellungen, gute Fragen überlegen und einen Drehplan erstellen sind nur einige der vielen Inhalte des Workshops.
„Schaut mal, wie sich Marius über das Mikrofon beugen muss!“, sagt Anna Ross später bei der Videoanalyse. Klarer Fall: Nina hält das Mikrofon zu tief. „Ihr macht es so eurem Gesprächspartner unbequem und schwer. Außerdem bekommt ihr keinen guten Ton.“ Die 28jährige ist freie Filmautorin und schult auch regelmäßig Jugendliche: „Beim journalistischen Arbeiten steigern die Schüler ihr Selbstbewusstsein und verbessern ihre Kommunikationsfähigkeit im Umgang mit fremden Menschen.“
Neben Wertebildung und Förderung sozialer Kompetenzen steht im Workshop auch die Medienerziehung im Vordergrund. Anna Ross zeigt zusammen geschnittene Aufnahmen vom ersten Workshop-Tag, an dem die Teilnehmer kurze Präsentationen hielten. Erst als sie einen Hinweis gibt, bemerken die Jugendlichen, dass manche Bilder aus zeitlich unterschiedlichen Situationen montiert wurden. Ein Aha-Effekt für Nina: „Mich hat voll geschockt, dass vieles, was in den Fernsehnachrichten gezeigt wird, gar nicht genau so statt gefunden hat.“
Marius ist dagegen vom großen Aufwand einer Filmproduktion überrascht: „Ich habe nicht erwartet, dass Filme machen so kompliziert ist. Jede Kameraeinstellung hat einen eigenen Namen und man braucht viele Stunden, um sich auf einen Dreh richtig vorzubereiten.“
In den folgenden Wochen werden die Jugendlichen Drehpläne schreiben und ihre Filmaufnahmen machen. Im Juni wird zusammen mit der Filmautorin das Videomaterial geschnitten.
Nina und Marius haben sich entschieden Filme über Menschen zu drehen, die anders sind, weil sie eine Behinderung haben. Marius wird einen Film über einen blinden Bewohner des Limeshofs in Welzheim machen. Nina hat vor, einen Mitarbeiter des Kreisjugendrings zu portraitieren, der im Rollstuhl sitzt.
„Ich bewundere solche Menschen, weil viele trotz Schwierigkeiten, eine Menge positiver Energie haben“, sagt Nina. Und Marius fügt hinzu: „Sie sind zwar anders, aber ihr Alltag ist ähnlich wie der von uns allen, mit all seinen Pflichten, Freuden und Problemen.“
- In den Pfingstferien startet bereits das nächste Jugendmedienprojekt des Kreisjugendring Rems-Murr. Im Mediencamp „Triple V Media Academy“ können sich die Teilnehmer 5 Tage in audiovisuellen Medien ausprobieren. Unter anderem werden Straßenumfragen gemacht, Trickfilme produziert und ein Kurzfilm gedreht.
- Zeitraum: 05.06.2012 – 09.06.2012
- Zielgruppe: 14 – 19 Jahre
- Kosten: 85 Euro
- Ort: Freizeitheim Mettelberg bei Murrhardt
- Anmeldung unter: www.jugendarbeit-rm.de/jugendfreizeiten-ferienfreizeiten/
Informationen zu „Triple V“ unter www.triple-v.org
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