„Es geht um Barrierefreiheit im Kopf“ – Arbeitsplatzchancen für Menschen mit Behinderung
Einen Menschen mit geistiger Behinderung in den Betrieb einstellen? Martin Windmüller, Inhaber eines Betten- und Wäschehauses in Backnang, berichtete beim vierten Inklusionsforum des Kreisjugendrings Rems-Murr e.V. und des „Forums für Teilhabe der Lebenshilfe Rems-Murr“ offen und ehrlich von den Ängsten und Befürchtungen, die ihn und seine Belegschaft beschäftigten, als die konkrete Anfrage einer betroffenen Familie an ihn herangetragen wurde. Wird man sich auf neue Verhaltensweisen einstellen können, mit denen man bisher keine Berührung hatte? Wird so ein Mitarbeiter den Betrieb aufhalten? Wird man vielleicht finanzielle Opfer in Kauf nehmen müssen? Am Ende konnte man sich in der Firma Windmüller zu einer „kleinen Lösung“ durchringen. „Wir wagen es mal, sagten wir schließlich, wir lassen uns auf ein Praktikum ein“. Heute ist Martin Windmüller froh über diese Entscheidung: „Das Praktikum hat alle Erwartungen übertroffen!“, so sein Fazit. Die junge Frau ist inzwischen feste Mitarbeiterin. „Und wir haben festgestellt, dass sie eine Bereicherung für uns ist“, so der Chef heute. „Ihre Freude kommt uns allen zugute – und mittlerweile ist sie auch in vielen Bereichen eine richtige Hilfe“.
Beispiele wie diese wirkten beim Backnanger Inklusionsforum in der mit mehr als 120 Gästen voll besetzten Kantine der Firma „Tesat“ einerseits ermutigend, machten andererseits aber auch deutlich, wie hoch die Hürden noch immer sind, vor denen Menschen mit Handicap bei der Arbeitsplatzsuche stehen. Genau darauf verwies auch Sozialministerin Katrin Altpeter während der Veranstaltung: “Es geht zunächst um die Barrierefreiheit im Kopf“, so die Ministerin, die für eine stärkere Sensibilisierung und Information der Arbeitgeber warb. „Man sieht als Arbeitgeber oft nur die Seite der Probleme – es gibt aber auch eine andere Seite. Und nicht zuletzt gibt es gesetzliche Sicherheiten und Fördermöglichkeiten“, so Katrin Altpeter.
Über Unterstützungsangebote für Betriebe, aber auch über Beschäftigungsmodelle für Menschen mit Behinderung konnten sich die Teilnehmer des Forums während einer „Bildungsreise“ in kleineren Gruppen informieren. An vier Stationen standen Fachleute zu den Themen „Praktika“, „Integrationsfirmen“, „Außenarbeitsplätze“ und „Allgemeiner Arbeitsmarkt“ Rede und Antwort. So war unter anderem zu erfahren, dass Arbeitgeber einen hohen Anteil der Lohnkosten als Zuschuss erhalten können, in einigen Fällen bis zu 100 Prozent.
Über diese und weitere Fördermöglichkeiten, so Landrat Johannes Fuchs, sollten die Arbeitgeber stärker „pro aktiv“ informiert werden, etwa durch die Agentur für Arbeit. Aber auch die öffentlichen Arbeitgeber, so der Wunsch von Martin Windmüller, könnten sich mehr engagieren und geistig behinderte Menschen mit einem Arbeitsplatz unterstützen. Bei der gastgebenden Firma „Tesat“ immerhin, so berichtete Personalleiter Sebastian Rädle, steht dieser Schritt unmittelbar bevor.
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