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Wertevermittlung zwischen Kunst und Demenz

Einmal wöchentlich treffen sich in Winnenden Jugendliche und Senioren zum Malen – das Projekt wird koordiniert durch den Kreisjugendring

Wertevermittlung zwischen Kunst und Demenz

Was sofort auffällt, das sind die strahlenden Farben: leuchtendes Orange, intensives Rot, viel helles Grün. Während sich draußen der Januar nur grau in grau zeigt, entstehen drinnen im „Haus im Schelmenholz“ die buntesten Blumensträuße, die lichtesten Farbkompositionen und die wärmsten Sonnenstrahlen. Immer am Mittwoch Nachmittag treffen sich Heimbewohner und Jugendliche im Seniorenheim zum gemeinsamen Malen mit Aquarellfarben. Präzise gesagt: die Senioren und Seniorinnen malen, die Jugendlichen helfen dabei. Sie holen die Männer und Frauen ab aus ihren Zimmern, bereiten die Utensilien vor, unterstützen beim Malen und führen kleine Gespräche. In ruhiger, entspannter Atmosphäre entstehen allmählich großformatige Bilder. Und deren immense Farbenfreude springt nicht nur ins Auge, sondern stellt auch Klischees auf den Kopf. Während wir für gewöhnlich mit dem Thema Alter dunkle Assoziationen verbinden, werden hier die farbintensivsten Pinselstriche von faltigen und oft zittrigen Händen gemalt. Während wir im Blick auf an Demenz erkrankte Menschen in ihrem Innern so etwas wie tristen Nebel und dicke Grauschleier vermuten, bringen sie die buntesten Blumensträuße aufs Papier. Ein ums andere Mal tauchen die Pinsel ein in Ocker, in Rot, Gelb, Hellblau – und die dunklen Farbtöpfe bleiben unberührt…

Waltraud Kaiser, die Leiterin des Malprojekts, kennt und schätzt die Vorliebe der alten Menschen für die hellen Töne und für Blumen, Bäume und Früchte. Zu den wöchentlichen Terminen bringt die Mitarbeiterin der Kunstschule Winnenden je nach Jahreszeit ein paar Fotos als Anregung mit. Diesmal: zarte Knospen, Orangen, Baumzweige. „Viele der Senioren und Seniorinnen hatten früher eigene Gärten und die Freude an Blumen und Pflanzen ist ihnen geblieben“, so die Künstlerin und Bildhauerin.

„win-win-Situation“ für Senioren und Jugendliche

Im September 2011 begann sie mit 4 Schülern das generationsübergreifende Projekt, das außerhalb des Schulunterrichts stattfindet und auf Freiwilligkeit basiert.
Finanziell gefördert wird die Initiative aus Mitteln des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“: Zusammen mit dem Kreisjugendring Rems-Murr e.V. hat die Stadt innerhalb dieses Programms den „Lokalen Aktionsplan Winnenden“ (LAP) entworfen, der entsprechende Projekte unterstützt.

  • Aktionsplan Winnenden
    Auch für das Jahr 2013 stehen aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ Fördermittel für Lokale Aktionsplan-Projekte (LAP) in Winnenden zur Verfügung. Als Koordinierungsstelle für den LAP Winnenden bietet der Kreisjugendring Hilfe bei Fragen und bei der konkreten Antragstellung an, so dass sich niemand durch formale Hürden abschrecken lassen sollte. Weitere Infos sind zu finden unter: www.aktionsplan-winnenden.de
    Interessierte können sich wenden an:

Wie sich zeigte, waren die Malstunden nicht nur bei den Heimbewohnern schnell beliebt, auch die Schüler und Schülerinnen waren so sehr am Projekt interessiert, dass sie jede Woche mit großer Freude dabei sind. „Es ist schön zu beobachten, wie liebevoll ihr Umgang mit den Senioren ist“, so die Kunstpädagogin.

Wertevermittlung zwischen Kunst und DemenzDie Zielsetzung des Projekts verläuft in zwei Richtungen: Die Senioren sollen von den Malstunden profitieren können und die Jugendlichen auch. „Es ist eine richtige win-win-Situation“, so Waltraud Kischel, Leiterin der Betreuung im „Haus im Schelmenholz“. Für die Heimbewohner ergeben sich durch das Malen einige aktive und harmonische Stunden. „Sie können die Farben sprechen lassen, auch wenn die eigene Sprache verloren ging“, so die stellvertretende Hausleiterin. Und nicht zuletzt schaffen die betagten Kursteilnehmer fertige Produkte, eigene Bilder, die man in Händen halten und mitnehmen kann. Eine ganze Galerie der Werke ist im Eingangsbereich des Hauses ausgestellt. Waltraud Kaiser legt für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Bildermappe an, die mit weißem Band verschlossen wird und die jeder mitnehmen darf. Die Projektleiterin weiß von einer Frau zu berichten, die eines Tages alle ihre Bilder hervorholte, betrachtete und in ihrem Zimmer verteilte. Wenige Stunden später verstarb die Dame – inmitten ihrer bunten Blätter.

Andererseits ergeben sich für die Jugendlichen vielfältige, sehr nahe Erfahrungen und auch neue Zugänge zu den demenzkranken Senioren und Mitmenschen. „Sie erleben die alten Menschen nicht nur in ihrer Gebrechlichkeit“, so Waltraud Kischel. „Sie erfahren ihren Charme, ihren Humor. Und sie erleben hautnah: Was in der Demenz nicht verloren geht, ist die Gefühlsebene. Wir schätzen es sehr, dass sich Menschen unterschiedlichen Alters auf diese Weise hier begegnen“.

Wertevermittlung zwischen Kunst und Demenz

„Was zählt, ist der Augenblick“

Seit September 2012 läuft das Projekt unter einer neuen Überschrift: „Wertevermittlung zwischen Kunst und Demenz für männliche Jugendliche“. Der Hintergrund: Die Distanz zu den Problematiken des Älterwerdens ist bei männlichen Jugendlichen im Vergleich zu den Mädchen in der Regel eher größer. In der Begegnung von männlichen Jugendlichen mit pflegebedürftigen, demenzerkrankten Menschen soll so auch die Auseinandersetzung der Jungendlichen mit dem eigenen Wertesystem verstärkt werden. Das soziale Lernen vor Ort im Rahmen dieses Kunstprojektes kann neue Perspektiven für männliche Jugendliche eröffnen

Einer der aktuell 12 männlichen Teilnehmer ist Lars. Der Schüler des Georg-Büchner-Gymnasiums erzählt, dass es ihm immer wieder Spaß mache, hier dabei zu sein. „Es ist schön, wenn man durch das Malen älteren Leuten, denen es nicht so gut geht, eine Freude machen kann“, sagt der 16-Jährige und wäscht die Pinsel aus. Was er besonders hier mag? „Mit den älteren Leuten gibt es eine sehr angenehme Ruhe“. Lars holt neues Papier und frisches Wasser. „Manchmal ist es schon komisch“, sagt er dann , „wenn die Menschen einen beim nächsten Mal nicht wieder erkennen“. Maria, 14-jährige Schülerin der Albertville-Realschule und schon länger beim Malen mit dabei, ergänzt: „Was hier zählt, ist der Augenblick: Jetzt!“.

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