Dialog in der Moschee
Zum Thema Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen türkischer Jugendlicher organisierte der Kreisjugendring eine lebhafte Diskussion in der Moschee in Winnenden
„Ohne die Eltern werden die Kinder nicht wettbewerbsfähig sein. Die Eltern müssen sich mit dem Thema Ausbildung beschäftigen!“. Walter Hennig war spürbar entschlossen, die seltene Chance beim Schopf zu packen: Wann erreicht der Chef der Agentur für Arbeit in Waiblingen schon mal die Eltern türkischer Jugendlicher? Und eben die waren im bis auf den letzten Stuhl besetzten Veranstaltungsraum der Kocatepe-Moschee in Winnenden sehr zahlreich vertreten.
Oft zusammen mit ihren Kindern folgten sie vor kurzem der Einladung des Kreisjugendrings Rems-Murr e.V. zur „Diyalog“ genannten Veranstaltung. „Chancen und Perspektiven der türkischen Jugendlichen“, lautete das Thema. Passgenauer geht es kaum. Entsprechend groß war auch das Interesse der Gäste, sich an diesem Dialog zu beteiligen.
Während vom Podium aus zunächst weitere Appelle an die Eltern und ihre Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder zu hören waren, meldete sich eine türkische Mutter aus dem Publikum zu Wort. Sie wisse aus eigener Erfahrung, dass viele Eltern die Ausbildung ihrer Kinder sehr ernst nähmen und die Kinder gerne auf weiterführende Schulen schicken würden. Weil dort aber die Mithilfe der Eltern beim Schulstoff stillschweigend vorausgesetzt werde, bleibe für Familien, die diese Hilfe zeitlich oder inhaltlich nicht leisten könnten, nichts anderes übrig, als Nachhilfestunden zu buchen. Sie selbst habe drei Kinder, für die sie Monat für Monat hunderte Euro Nachhilfe bezahle. Viele Eltern sähen sich durchaus in der Pflicht, kämen aber auch an Ihre Grenzen, so das Fazit der Mutter, die mit ihrer Offenheit den Dialog in der Moschee so richtig in Fahrt brachte.
Nächste Frage aus dem Publikum: Die Eltern sollen ihre Kinder über die Ausbildungschancen informieren – aber wie kommen denn die Eltern an die Informationen? Wie überwindet man das vielfach vorherrschende Sprachproblem? Woher erfahren die Eltern, dass es in Deutschland nicht nur die gängigen 15, sondern 350 Ausbildungsberufe gibt? Wer vermittelt ihnen die Information, dass es, wie Walter Hennig betonte, für ihre Kinder große Chancen gerade in den Nischenberufen gibt?
Plötzlich war der Dialog in vollem Gang. Joachim Rapp, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, appellierte hier ganz pragmatisch an den Moscheeverein. Er solle seine Stärken und seinen Zusammenhalt nutzbar machen und die Informationen und Angebote an die Eltern und Kinder bringen. Eine Anregung, die seitens des Moscheevereins offen aufgenommen wurde.
Weitere Ideen brachte eine junge Lehramtsstudentin mit türkischen Wurzeln ein: Die türkischen Jugendlichen sollten stärker über Praktikumsplätze erste berufliche Erfahrungen sammeln und so nicht zuletzt wichtige Kontakte knüpfen. Oder: In den Ferien immer mal wieder einen Job annehmen – auch hier gewinne man wichtige Informationen, so die Studentin.
Wie zu erwarten, eröffnete der Dialog in der Moschee keine Patentlösungen, aber eine ganze Reihe von Anregungen und wichtiger Impulse. Deutlich wurde vor allem die große Offenheit auf Seiten der türkischen Familien und die Chance, durch weitere Gespräche dieser Art tatsächlich neue Perspektiven für die türkischen Jugendlichen zu finden.
Auf dem Podium waren am „Diyalog“ beteiligt (v.l.):
- Michael Kempter
Geschäftsführer der Bezirksgruppe Rems-Murr Südwestmetall - Joachim Rapp
Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr. Kreishandwerkerschaft - Steffen Kögel
IHK Referatsleiter Berufsbildung/Ausbildung Bezirkskammer Rems-Murr - Walter Hennig
Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Waiblingen - Dr. Süreyya Nejat Dogan
Stellvertretender Vorsitzender des Mitarbeiter Netzwerks „Daimler Türk-Treff“
Vortandsmitglied des International Turkisch Business Center (ITBC) - Peter Hoffmann,
Schulleiter Geschwister Scholl Realschule - Funda Ekici,
Studentin auf Lehramt Realschule
Die Moderation führte Belgin Yasa durch.
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Kommentare
Ich finde das es schlecht ist , wenn man welche aus anderen Religionen in der Schule nicht beten lässt.
Und unser Gesetz besagt Religionsfreiheit.Hallo Nadine,
danke für deinen Kommentar. Wir haben zu diesem Thema gestern eine Schülerumfrage gemacht. Du kannst sie dir hier anschauen und kommentieren.
http://triple-v.org/Wenn du ein Kwick!-Profil hast, kannst du auch hier
http://www.kwick.de/#Jugendarbeit-RM/blog
kommentieren. Dort ist die Diskussion schon voll im Gange.