Eine temporeiche, kurze Aufführung
Junge Winnender Aleviten und Haselsteinschüler spielen „Europa“ in Anlehnung an „Andorra“ von Max Frisch.
So schnell kann eine bunte vielfältige Gesellschaft entstehen: Farbe bekennen, mit Farben um sich werfen, und fertig ist das Werk. Im Theater geht das: Die Jugendlichen der Haselsteinschule und der alevitischen Gemeinde bauten in einer knappen halben Stunde ihr eigenes Europa.
„Blau, blau, blau sind alle meine Kleider“, singt ein Mädchen mit langen Haaren und Engelsblick eine bekannte Melodie und holt die Zuschauer mit ihrer glockenhellen Stimme ab. Im nicht voll besetzten Storchenkeller ist es mucksmäuschenstill, als auch die anderen acht Akteure ihre Strophen singen, die dazu passende Farbfahne vom Boden aufheben, sie bewegen und mit ihr posieren zum Gesang.
Die schöne Vielfalt des Lebens
Die Botschaft des Theaterstücks „Europa“ ist einfach: „Zum Glück ist jeder anders, das ist bereichernd, das ist Reichtum“, nimmt die Mutter Europa der Tochter Andria die Selbstzweifel. Andria wird gemieden, mit ihr stimme was nicht, sie sei bestimmt krank. Der Vorname ist bewusst angelehnt an die Figur des Andri aus Max Frischs Drama „Andorra“. Auch Andri war Außenseiter, es hieß, er sei „anders“. Die Theaterpädagogin Ruhsar Gümüsdal aus Nürtingen hat Regie geführt und alle Texte und Dialoge geschrieben. Beauftragt wurde sie vom Kreisjugendring, der das Theaterprojekt zum Thema „Vielfalt“ fördert. „Als Erstes fiel mir Andorra ein, doch es wäre für die Kinder zu schwer gewesen“, erklärt sie den Bezug. Andorra habe sie inspiriert zu einer szenischen Erzählung über die schöne Vielfalt, die das Leben bietet, über Freundschaft und Vertrauen, Individualität und Buntheit.
Bild: Palmizi
In einer Szene tragen alle Darsteller hellblaue Malerkittel und haben einen Pinsel in der Hand. Sie laufen im Kreis um eine Leinwand in der Bühnenmitte herum. Jedes Kind pinselt im Vorbeigehen kurz seine Lieblingsfarbe auf das Papier, die zu den hochgehaltenen Farbfahnen im Eingangsbild passen. Aus vielen wahllos hingetupften bunten Punkten rühren sie eine Europa-Collage der vielen Farben zusammen. Im Hintergrund läuft „I’m walking“ von Fats Domino. Aus dem Getupfe wird ein Gemälde, weil alle Farben daran mitwirken. „Alles vereint in Harmonie, die die Kunst zu leben aufzeigt“, erklärt die Stimme aus dem Off den Finger- und Pinselzeig zum Thema „Vielfalt“.
Auch Schattenseiten werden thematisiert: Neid und Vorbehalte, die Angst vor dem Anderssein fassen die Figuren in Bildern zusammen, die das Knüpfen farbiger Freundschaftsbänder andeuten. „Jeder kann etwas, das der andere nicht kann, das bringt Vielfalt“, heißt es in einer Szene. „Das ist ja eine schöne Farbe“, wird Andria von dem Mädchen Michèle begrüßt. Die Schwierigkeit, Farbe zu bekennen, übertragen sie ins Spielerische: Sie tauschen Farben aus, lassen ein buntes Europa zu. Symbolisch bringen alle ihr Können, ihre Eigenschaften ein und zeigen dies durch das Hissen der eigenen Europafahne, „eine Regenbogenfahne mit unseren Farben“, sagt die Regisseurin.
Max Frisch grüßt und färbt die Schlussszene, als alle in einer Reihe für eine bunte Gesellschaft einstehen und ein Mädchen warnend, zugleich anspielend auf die temporeiche kurze Aufführung, sagt: „So schnell kann aus Andorra Europa werden.“
Quelle: ZVW
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