Jeder hat seine eigenen Träume / Deutsche Jugendliche haben sich in Mettelberg nicht angemeldet
Murrhardt. Fünfzehn Jugendliche mit Fluchterfahrung aus dem ganzen Rems-Murr-Kreis haben bei einer Freizeit Gelegenheit, aus ihrem Alltag herauszukommen und zusammen mit Gleichaltrigen neue Erfahrungen zu machen. Gemeinsam mit Landrat Richard Sigel pflanzten sie gestern einen Baum ein, an den sie zuvor ihre Wünsche gehängt hatten.
Sie stammen aus den verschiedensten Ländern, sind alleine oder mit der Familie gekommen und haben die unterschiedlichsten Wünsche und Hoffnungen. Aber es gibt – neben der Fluchterfahrung – etwas, das sie eint: „Der Fußball bringt sie alle zusammen“, berichtet Ellen Klinger, Projektreferentin beim Kreisjugendring Rems-Murr, der die Freizeit organisiert hat. Und so wird auf Wunsch der Teilnehmer immer wieder gekickt. Auf Begeisterung stieß auch die Klettertour im Hochseilgarten in Sechselberg, weitere Programmpunkte sind eine Nachtwanderung und ein Grillabend. „Die Probleme sind altersabhängig, die Bedürfnisse sind immer die gleichen“, erzählt Klinger und lobt das „tolle Miteinander“ der jungen Männer zwischen 16 und 22 Jahren, die aus Syrien, Somalia, Eritrea, der Türkei, Afghanistan und Pakistan stammen.
Ihnen bietet die Freizeit in der Karwoche die Möglichkeit, für ein paar Tage ihren Alltag hinter sich zu lassen. Dass dieser oft belastend ist, zeigte sich, als die Teilnehmer aufgefordert waren, Anhänger aus Holz zu gestalten und darauf ihre Wünsche festzuhalten.
Mit Säge, Feile, Schmirgelpapier und Lötkolben gingen die Jungen ans Werk und schrieben in Brandmalerei auf die Holzstücke, was ihnen auf der Seele liegt: Familiennachzug, Freunde, Schule, Ausbildung, Wohnung, Pass.
Der 19-jährige Louis aus Syrien hat einen Wunsch, den man aus dem Mund eines gleichaltrigen Deutschen eher selten hört: Er hätte gerne weniger Freizeit und mehr Nachmittagsunterricht, vor allem Sprachkurse. Er möchte nach dem Hauptschulabschluss, den er in diesem Jahr machen wird, die Mittlere Reife anstreben. Hussam, 17 Jahre, ist mit seiner Familie vor fünf Monaten ebenfalls aus Syrien gekommen und hat einen sehnlichen Wunsch: Er möchte gerne einen Freund finden.
Hier pflanzt der Landrat selbst: Richard Sigel hat bei der Jugendfreizeit in Mettelberg vorbeigeschaut und gleich tatkräftig Hand angelegt. Foto: Jörg Fiedler
Alleine aus Afghanistan nach Deutschland geflohen
Der 18-jährige Sayed ist alleine aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und hat einen ganz konkreten Berufswunsch: Er möchte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen. Und er hat den Traum, vielleicht später einmal Arzt zu werden.
Was als integrative Freizeit geplant war, wurde leider eine Veranstaltung, bei der die jungen Flüchtlinge unter sich blieben, weil sich keine gleichaltrigen Deutschen angemeldet hatten, wie Geschäftsführerin Marita Trautner vom Kreisjugendring bedauerte. Betreut wird die Veranstaltung von einem vierköpfigen Team des Kreisjugendrings, verstärkt durch zwei Mitarbeiter, die ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten.
Landrat Dr. Richard Sigel pflanzte zusammen mit den Jugendlichen einen Holunderbaum mit ihren Wunschanhängern auf dem Gelände des Freizeitheims ein. Und er ließ sich von den jungen Flüchtlingen erzählen, welche Wünsche und Sorgen sie umtreiben: das Warten auf Behördenentscheidungen, die Ungewissheit, die Angst vor Abschiebung, die fehlenden Kontakte, die teilweise ablehnende Haltung in Schulen oder Vereinen, fehlende Sprachkurse, provisorische Klassenzimmer, die schwierige Wohnungssuche und Probleme beim Fehlen von Ausweispapieren. Sigel ging auf die einzelnen Anliegen ein und bat angesichts der vielen Flüchtlinge um Geduld. Und er ermunterte die Anwesenden, fleißig Deutsch zu lernen: „Wenn ihr die Sprache könnt, das ist die Basis.“
Quelle: zvw.de