Hülyas zarter Liebesgesang für Romeo
Jugendliche aus Winnenden spielen modernisierten multikulturellen Shakespeare mit türkischen und deutschen Liedern
Winnenden. In Shakespeares Romeo und Julia steckt immer noch mehr als in 20 Folgen von „Verbotene Liebe“. 14 Kinder und Jugendliche aus Winnenden haben aus Julia eine türkische Hülya gemacht, und mit viel Musik aus Ost und West, zartem Gesang und höchst talentierter Schauspielerei einen einmaligen Romeo-und-Julia-Abend gezaubert.
Da ist die Amme – frank und frei und völlig bühnensicher gespielt von Selina Dogan, die ganz allein auf der Bühne des Jugendhauses Fellbach steht, selbstsicher in die Publikumsrunde strahlt, mit den Händen und den Augen spricht, sich in den Hüften wiegt und erzählt vom Leid der Amme, die aufpassen soll, dass die junge verliebte Hülya nicht durchbrennt mit dem Romeo. Die Amme ist eine Figur aus Shakespeares Zeiten. Aber Eltern, die ihren Kindern Grenzen setzen wollen in der Liebe, gibt es heute oft genug.
Und verliebte, träumende Jugendliche erst recht. Nur darf man lange suchen, bis man ein Mädchen findet, das jugendliche Liebe so anmutig, zart und überzeugend echt auf der Bühne darstellen und besingen kann wie Tugce Taskin aus Winnenden. Sicher, sie hat keine geschulte Opernstimme. Aber im kleinen Jugendtheatersaal von Fellbach trägt ihr Gesang zunächst ohne Mikrofon. Sie singt tonlich absolut rein, sehr weich, ohne jegliche Verspannung, und Regisseurin Ruhsar Gümüsdal hat ihr Lieder gegeben, die ihr keine extremen Höhen abverlangen, zum Beispiel ein Liebeslied aus einem Aschenputtel-Singspiel: „Küss mich! Halt mich! Lieb mich! Für immer!“ Sprechchöre und Chorgesang begleiten Romeo und Hülya. Acht Mädchen singen türkische Lieder. Die berühmte Erkenntnis bei Tagesanbruch „Die Lerche war’s und nicht die Nachtigall“ wird vom Sprechchor vorgetragen in Englisch, Deutsch und Türkisch, und in jeder Sprache hat dieser Satz Musik.
Romeo und Hülya erleben die Grenzen der Liebe, die heute bestehen – zwar nicht nach dem bundesdeutschen Gesetz, aber nach den Vorstellungen der „Gesellschaft“. Manchmal ist schon Kinderliebe schwierig. Zwei Kinder spielen Romina und Julia, die eine kommt aus Rumänien, die andere von irgendwo, und die Eltern sagen: „Es passt nicht.“
Zwei Männer proklamieren Romeo und Julian. Nur ganz kurz. Die Liebe zwischen Männern kommt vor, ist aber nicht in jeder Gesellschaft gelitten. In dieser Winnender Version kriegen sich alle drei Paare, so wird’s gesagt, und dann endet das Stück mit einem rauschenden Fest und herzlichem Beifall.
Was sagt eigentlich der muslimische Geistliche dazu?
Stopp! Da steht ein Mann aus dem Publikum auf und geht auf die Bühne. Es ist ein Muslim, der Geistliche der Winnender Aleviten, Düzgün Dogan. Was sagt er, nachdem die Jugendlichen gerade von der schwierigen gleichgeschlechtlichen Liebe erzählt haben? Er strahlt und bedankt sich überschwänglich bei Regisseurin Ruhsar Gümüsdal: „Es ist großartig, wie Sie unsere Kinder fürs Theater begeistern. Die haben Prüfungen in der Schule und lernten gleichzeitig Theatertexte. Also: Ich könnt’s ned!“
Aus Waiblinger Kreiszeitung/Winnender Zeitung. Autor: Martin Schmitzer
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