Probelauf in Richtung Berufswahl und Ausbildung
Die Klassen 9a und 9b der Karl-Friedrich Reinhard Werkrealschule durchliefen den „Jobclub“ des Kreisjugendrings
Tamer* hat`s gut. Er weiß, was er mal werden will: Bankkaufmann. In Mathe, strahlt er stolz, in Mathe habe er eine glatte eins. „Und Mathe ist für Banker ganz wichtig!“. Genauso wie die korrekte Kleidung. Tamer trägt zum Berufsfindungs-Termin einen dunklen Anzug, weißes Hemd, Krawatte. Alles bestens also? „Nicht ganz“, schränkt der Jugendsozialarbeiter ein. „Im Hauptfach Deutsch sieht`s leider nicht so rosig aus.“ Tamer nickt. Das letzte Diktat, erklärt der 15-Jährige, habe er total verhauen – deshalb stehe da die vier im Zeugnis. „Und die muss weg!“, macht ihm Berater Michel Lokies klar. Tamer lächelt zuversichtlich. Zum Glück hat er noch mehr als ein Jahr Zeit, die Schulnoten zu verbessern. Und zum Glück ist der Berufsberatungstermin in der Schorndorfer Manufaktur nur gespielt.
Tamer nimmt mit seiner Klasse 9A der Karl-Friedrich Reinhard Werkrealschule teil am so genannten „Jobclub“, den der Kreisjugendring Rems-Murr bereits seit Jahren durchführt. Partner sind diesmal die Karl-Friedrich Reinhard Werkrealschule und die dortige Schulsozialarbeit, Vertreter aus regional ansässigen Wirtschaftsunternehmen, die Agentur für Arbeit und soziale Fachdienste. Letztere repräsentiert der Jugendsozialarbeiter Michel Lokies vom Kreisjugendamt. Der macht sich nach dem Gespräch mit Tamer ein paar Notizen. Man müsse mit der Schule klären, wie die sprachlichen Fähigkeiten des Jugendlichen in der verbleibenden Zeit noch verbessert werden könnten.
Realitätsnahe Übung
Im Raum nebenan hängt an der Tür ein Schild mit der Aufschrift „BIZ“: „Berufs-Informations-Zentrum“. Vier Bildschirmarbeitsplätze sind drinnen im Kreis aufgebaut, alle online verlinkt mit der Agentur für Arbeit. Pattrick sucht am PC nach Ausbildungsplätzen zum „Systemelektroniker“. Elena klickt sich noch etwas ratlos durch das Berufsangebot. „Erzieherin, dachte ich eigentlich“, sagt sie. Aber so richtig sicher sei sie sich eben nicht. Vielleicht, meint die eher schüchterne Schülerin, wisse sie ja nach dem Tag im „Jobclub“ besser Bescheid. Oder nach dem Gespräch mit dem Berufsberater? Zwei Türen weiter sitzt Klaus Reuster, „echter“ Berufsberater bei der Agentur für Arbeit. Für den Profi ist das „Jobclub“-Spiel eine „ganz tolle Sache“. Das realitätsnahe Üben sei für die Jugendlichen eine sehr gewinnbringende Probe. Der besondere Vorteil des „Jobclubs“ liegt für Klaus Reuster darin, dass die Schülerinnen und Schüler einen sehr direkten Spiegel ihrer Selbstdarstellung erhielten: „Die Einschätzungen hier im Spiel sind sehr ehrlich. Vor allem: Jede Ablehnung, jede Kritik wird begründet“. Draußen kommt das nicht vor, weiß der Berater. „Sie hören von uns“, heißt es da nur.
Berufliche Orientierung in Zeitraffer-Form
Dass die Jugendlichen durch die Rückmeldungen während des Spiels enorm profitieren, davon ist auch Cordula-Eva Bauer überzeugt. Die Personalchefin der Oskar Frech GmbH engagiert sich schon zum zweiten Mal beim „Jobclub“. Was ihr auffällt: „Die Jugendlichen sind mit großem Ernst dabei. Ich glaube das liegt auch daran, dass sie realen Erwachsenen in einer fremden Umgebung gegenüber sitzen. Und sie wissen, dass die Beteiligten es alle gut mit ihnen meinen“. Was man im wirklichen Leben nicht immer erwarten kann.
Insgesamt 12 Stationen standen den Jugendlichen in diesem Jahr für ihre berufliche Orientierung zur Verfügung. Sie konnten so quasi in Zeitraffer-Form an einem Schultag die Instanzen durchlaufen, für die sie sonst ein halbes Jahr aufwenden müssten. Dass dies auch in diesem Jahr gelingen konnte, sei nicht selbstverständlich, so Organisatorin Annette Oehler vom Kreisjugendring. „Ich bin allen Mitstreitern und insbesondere den beteiligten Firmen sehr dankbar dafür, dass sie sich diese Zeit für die Jugendlichen nehmen“.
Für Schulsozialarbeiter Lars Piechot sind es vor allem zwei Dinge, die der „Jobclub“ den Schülerinnen und Schülern mit nach Hause geben kann: Zum einen ganz praktische und konstruktive Rückmeldungen für eine perfekte Bewerbungsmappe, zum anderen die Erkenntnis, dass das Thema Berufswahl für die Jugendlichen und ihre Familien künftig ganz oben anstehen muss.
*Schülernamen geändert
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